Interviews

Um den Datenschutz besser zu verstehen führten wir drei Expert:innen-Interviews.

Maria Hinz

Ethische Datennutzung

In einem aufschlussreichen Interview erörterte Maria Hinz, die bei der Barmer im Bereich der digitalen Transformation und im Projekt “Digital for Responsibility” tätig ist, die Herausforderungen und Möglichkeiten, die sich aus der Nutzung von Gesundheitsdaten ergeben. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf der Konzeption eines Projekts zur Nutzung von Gesundheitsdaten bis zum Jahr 2035, wobei ein personalisiertes Gesundheitstool entwickelt werden soll, das mithilfe von Predictive Analytics Krankheitsrisiken identifiziert und präventive Strategien vorschlägt. Das Ziel dieses Tools ist es, Nutzern zu ermöglichen, ihre Gesundheit proaktiv zu managen und Krankheiten frühzeitig zu erkennen oder zu verhindern.

Hinz betonte die Bedeutung des Datenschutzes und der Datensicherheit, wies auf die Komplexität von Anonymisierungs- und Pseudonymisierungsprozessen hin und diskutierte die Herausforderungen, die sich aus dem Balanceakt zwischen dem Schutz und der nutzbringenden Verwendung von Daten ergeben. Sie sprach die Notwendigkeit an, Datenschutzgesetze zu aktualisieren, um neue Möglichkeiten für die Nutzung von Gesundheitsdaten zu eröffnen, insbesondere im Hinblick auf die Prävention und Verbesserung der Gesundheitsversorgung.

Darüber hinaus thematisierte sie die Zusammenarbeit mit großen Dienstleistern, um die Sicherheit und angemessene Verarbeitung von Patientendaten zu gewährleisten, und erwähnte die Bedeutung der Mitarbeiterschulung und Sensibilisierung für Themen der Datensicherheit. Maria Hinz hob hervor, dass eine bessere Aktualität und Vollständigkeit der Daten notwendig sind, um effektive Gesundheitsempfehlungen geben zu können, und sprach sich für eine stärkere Einbindung von digitalen Ansätzen aus, um die Beteiligung an Vorsorgeprogrammen zu steigern.

Die Diskussion umfasste auch die Notwendigkeit, eine ethische und transparente Datennutzung zu fördern und wie dies durch Bildung und Stärkung der Datenkompetenz der Nutzer erreicht werden könnte. Hinz äußerte sich zu den ethischen Bedenken hinsichtlich der umfassenden Nutzung von Daten für präventive Zwecke und betonte die Wichtigkeit, die Datennutzung so zu gestalten, dass sie dem Wohl der Patienten dient und gleichzeitig ihre Privatsphäre respektiert.

Abschließend wurde erörtert, wie eine zukünftige ethische Datennutzung und Datenschutz aussehen könnten, wobei der Fokus auf der Verbesserung der Datensicherheit und der Befähigung der Menschen liegen sollte, informierte Entscheidungen über ihre Daten zu treffen. Das Interview endete mit der Erwartung, dass die Projektergebnisse einen Lösungsansatz bieten könnten, der zu einer ethischeren und effektiveren Nutzung von Gesundheitsdaten beiträgt.



Das Interview umfasst eine breite Palette von Themen, die hauptsächlich die Nutzung von Gesundheitsdaten, präventive Gesundheitstools und die ethische Nutzung von Daten betreffen. Hier sind die wichtigsten Kernaussagen aus dem Interview:

  1. Zukunftsorientierte Gesundheitsdatennutzung: Es wird an der Entwicklung eines personalisierten Gesundheitstools gearbeitet, das durch Predictive Analytics Krankheitsrisiken identifiziert und präventive Maßnahmen bietet, um die Gesundheit proaktiv zu managen.
  2. Ethik und Datenschutz: Diskussionen über die ethische Datennutzung und die Notwendigkeit, die Datensicherheit zu gewährleisten, sind zentral. Es wird betont, dass Transparenz und Souveränität der Patienten entscheidend sind, damit diese verstehen und entscheiden können, wie ihre Daten verwendet werden.
  3. Gesetzliche Rahmenbedingungen: Der aktuelle Datenschutz wird als Hindernis für die vollständige Nutzung von Gesundheitsdaten gesehen, und es gibt eine Diskussion über die Notwendigkeit, die Gesetze zu lockern und zu erneuern, um eine digitale Zukunft zu ermöglichen.
  4. Zusammenarbeit mit Dienstleistern: Es wird auf die Zusammenarbeit mit großen Dienstleistern hingewiesen, die sicherstellen, dass Patientendaten angemessen verarbeitet und geschützt werden.
  5. Patientenfeedback und Datenverwendung: Es gibt einen Wunsch nach einem System, das Patienten Feedback darüber gibt, wie ihre Daten verwendet werden, aber auch Bedenken hinsichtlich der Machbarkeit und des Timings dieses Feedbacks.
  6. Datenvollständigkeit und -aktualität: Es besteht die Herausforderung, dass vorhandene Abrechnungsdaten oft veraltet sind und nicht das vollständige Bild der Gesundheit eines Patienten liefern.
  7. Prävention und Gesundheitsförderung: Es wird ein starker Fokus auf präventive Maßnahmen gelegt und die Hoffnung geäußert, in Zukunft in der Lage zu sein, Vorsorgeangebote auf der Grundlage von Daten zu machen, um Menschen zu einem gesünderen Leben zu verhelfen.
  8. Digitale Ansprache und Patientenengagement: Es wird die erfolgreiche Umstellung auf digitale Kommunikationsmittel zur Erhöhung der Teilnahme an Gesundheitsvorsorgeprogrammen, wie zum Beispiel Krebsvorsorge, hervorgehoben.
  9. Risiko und Nutzen der Datennutzung: Es wird die Notwendigkeit diskutiert, das Risiko gegen den Nutzen abzuwägen, wenn es um die umfassende Nutzung von Patientendaten geht, insbesondere im Hinblick auf die möglichen ethischen Dilemmata.
  10. Zukunft des ethischen Datenschutzes: Es wird ein Ausblick gegeben, wie ethischer Datenschutz in Zukunft aussehen könnte, mit einem Schwerpunkt auf der Verbesserung der Datensicherheit und der Befähigung der Menschen, fundierte Entscheidungen über ihre Daten zu treffen.*
BfDI Prof. Ulrich Kelber via Strömer

Bundesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit

Herr Strömer beantwortete unseren Fragebogen an Prof. Ulrich Kelber. Prof. Ulrich Kelber ist als Referent für Beschwerden und Anfragen von Bürger*innen verantwortlich. Er berät Institutionen über Datenschutz. Er beschreibt, dass die Datenerfassung durch Krankenkassen in der DSGVO und im Sozialgesetzbuch, sowie in den Bundes- und Landesrechtes festgelegt ist – wie zum Beispiel das Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz (TTDSG).

Der BfDI überwacht bei der Gesetzgebung, dass Patientendaten von Krankenkassen angemessen verarbeitet werden. Die Herausforderung bei der Überwachung der Einhaltung des Datenschutzrechts besteht insbesondere in der Vielzahl von Fällen im Verhältnis zu begrenzten Personalressourcen, der Komplexität technologischer Rahmenbedingungen zur Klärung datenschutzrechtlicher Sachverhalte und der föderalen Aufsichtsstruktur.

Dr. Ulrike Singler-Mansberger

Ethische Datennutzung

In einem ausführlichen Gespräch wurde die komplexe Thematik der Nutzung von Gesundheitsdaten und Datenschutz beleuchtet. Ulrike Singler-Mansberger, Datenschutzbeauftragte bei der Barmer, und Sebastian Durska, Teil der Datenschutzabteilung, diskutierten die Entwicklungen und Herausforderungen in diesem Bereich.

Zentral im Interview stand die Vorstellung eines innovativen Gesundheitstools, das die Verarbeitung persönlicher Gesundheitsdaten für präventive Zwecke und Forschung vorsieht. Das Tool soll Nutzer dabei unterstützen, ein bewusstes Gesundheitsverhalten zu entwickeln, während die generierten Daten solidarisch für die Forschung verwendet werden sollen.

Die Datenschutzbeauftragte erläuterte ihre Rolle, die sich aus dem gesetzlichen Rahmen ergibt, und die Bedeutung der Datenschutzabteilung für die Beratung innerhalb des Unternehmens. Datenschutzmanagement und die Entwicklung entsprechender Systeme sind essenziell, um Datenschutz praktikabel zu gestalten und gleichzeitig innovative Projekte nicht zu behindern. Das Interview thematisierte die aktuellen Hindernisse des deutschen Datenschutzes, die als Barriere für die effektive Nutzung medizinischer Daten gesehen werden. Die Hoffnung liegt auf anstehenden gesetzlichen Änderungen, die eine ethische Nutzung von Daten in der Forschung ermöglichen sollen. Eine ethische Datenverwendung bedarf der Wahlmöglichkeit der Betroffenen und einer klaren Zweckbindung, um Missbrauch zu verhindern.

Maßnahmen zur Sicherung der Datenintegrität und zum Schutz vor Cyberangriffen wurden ebenfalls besprochen. Als kritische Infrastruktur unterliegt Barmo strengen gesetzlichen Bestimmungen, die durch interne Teams und Prozesse umgesetzt werden. Die Nutzung von Patientendaten ist strikt gesetzlich geregelt und erfordert eine klare Rechtsgrundlage.

Abschließend wurden die Potenziale und Gefahren der Datenanalyse angesprochen. Während die Möglichkeit, Krankheiten frühzeitig zu erkennen, als positiv hervorgehoben wurde, bestehen gleichzeitig Befürchtungen hinsichtlich der Profilbildung und des Datenmissbrauchs, die zu Nachteilen für die Betroffenen führen könnten.

Aus dem Interview mit Ulrike Singler-Mansberger ergeben sich mehrere zentrale Aussagen:

  1. Entwicklung und Zielsetzung eines Gesundheitstools: Es wird an einem Gadget gearbeitet, das persönliche medizinische Daten auf krankheitsrisiko-basierte Predictive Analytics untersucht, um ein bewusstes Gesundheitsverhalten zu fördern und Daten solidarisch für die Forschung zu nutzen.
  2. Rolle der Datenschutzbeauftragten: Die Datenschutzbeauftragte des Unternehmens und die Datenschutzabteilung konzentrieren sich auf die Einhaltung der gesetzlichen Datenschutzpflichten und die Beratung des Hauses in Datenschutzthemen.
  3. Datenschutzmanagement: Entwicklung und Implementierung von Datenschutzmanagementsystemen und Prozessen sind Teil der Bemühungen, um Datenschutz praktikabel zu gestalten.
  4. Aktuelle Hindernisse im Datenschutz: Der deutsche Datenschutz wird als Hindernis für die Nutzung von medizinischen und Versicherungsdaten angesehen, aber es wird erwartet, dass sich dies bald ändern wird, insbesondere durch Gesetze, die die Nutzung von medizinischen Daten in der Forschung ermöglichen sollen.
  5. Ethische Datenverwendung und gesetzliche Rahmenbedingungen: Eine ethische Datenverwendung erfordert eine Wahlmöglichkeit für die Betroffenen und sollte sehr konkret auf den Verwendungszweck ausgerichtet sein, um Datenmissbrauch zu verhindern.
  6. Datenverarbeitung und -sicherheit: Es werden Maßnahmen getroffen, um zu gewährleisten, dass Versichertendaten angemessen verarbeitet und genutzt werden, einschließlich Sensibilisierung der Mitarbeiter, Vertragsabschlüsse mit externen Firmen und die Einführung eines Datenschutzmanagement-Systems.
  7. Sicherheit vor Cyberangriffen: Es werden spezielle Teams und Prozesse eingesetzt, um die Daten vor Cyberangriffen zu schützen, und es werden zusätzliche Anforderungen als Unternehmen der kritischen Infrastruktur erfüllt.
  8. Nutzung und Einschränkungen von Patientendaten: Die Nutzung von Patientendaten ist durch gesetzliche Zwecke eingeschränkt und kann nur in Ausnahmefällen oder für bestimmte genehmigte Forschungsvorhaben erfolgen.
  9. Potenziale und Gefahren der Datenanalyse: Es besteht das Potenzial, durch die Analyse von Gesundheitsdaten Krankheiten frühzeitig zu erkennen und zu behandeln, aber es gibt auch Gefahren wie das Risiko der Profilbildung und Missbrauch der Daten für Zwecke, die dem Einzelnen schaden könnten. Diese Kernaussagen reflektieren die Komplexität und die Wichtigkeit eines ausgewogenen Ansatzes im Umgang mit Gesundheitsdaten, der Datenschutz, ethische Überlegungen und den Nutzen für Forschung und Versorgung gleichermaßen berücksichtigt.